Hi Kollegen,
die folgenschweren Einklapper-Unfälle geben mir auch zu denken. Mittlerweile frag ich mich, ob die DHV-Lehrmeinung zum Umgang mit Klappern (Gegenbremsen/Stabilisieren, dann auf der eingeklappten Seite pumpen) wirklich in jedem Fall und für jeden Schirm (zwischen Kat. 1 und 2, mit Hochleistern hab ich keine nennenswerten Erfahrungen) noch aktuell ist – bzw. die Vermittlung dieser Lehrmeinung als alleinige Methode. Ich will versuchen, es zu begründen:
Wir lernen in der Ausbildung einen relativ komplizierten, aus mehreren „Arbeitsgängen“ bestehenden Vorgang, den wir später unter Stress, nach einem Riesenschreck („ogottogott, ich hab n Klapper!!!“) bewältigen sollen.
Wir haben – nicht zuletzt angesichts der Unfallstatistik – einen Mordshorror vor Einklappern. Und deshalb, so mein Eindruck, reagieren wir nicht zu spät und zu schwach, sondern zu früh und zu heftig!
Mit der brav gelernten Lehrmethode bin ich 1999 zum Sicherheitstraining gefahren – und hab dort von acht oder zehn Versuchen grade mal zwei so halbwegs zur Zufriedenheit des Trainingsleiters hingekriegt. Weil ich mir selber Stress gemacht und hektisch an den Bremsen rumgezerrt habe, anstatt mich auf mein Gefühl (Fluglage, Schirm„meldungen“ über die Tragegurte, Steuerdruckzu- und abnahme auf der offenen Seite) zu verlassen – wie ich es normalerweise machte.
Karls Fazit am Ende war „Mit dem Kat. 2-Schirm überfordert“. Musste ich so hinnehmen: er hatte nach dem, was ich da mit der statistisch häufigsten Unfallursache als Flugfigur überm See abgeliefert hatte, völlig Recht. Ich hab nur hinterher darüber nachgedacht, warum ich mit „kassierten“ ungewollten Klappern (nicht nur Öhrchenflattern) zuvor noch nie wirklich Stress gehabt hatte.
Walter Schrempf ist vor zwei Jahren heftigst abgewatscht worden, als er eine Alternativmethode zur Klapperbehebung beschrieben hat: (sinngemäß wiedergegeben)
„eingeklappte Seite mit einem kräftigen Steuerleinenzug öffnen, dabei NICHT gegenbremsen“.
Das konnte ich mir ehrlich gesagt damals auch nicht so recht vorstellen, hab aber dann mit der Zeit einige Beobachtungen/Erfahrungen gemacht, die zumindest bei beginnenden und bei kleineren Klappern < 50 %, wo auch von der Hinterkante noch was „steht“ in diese Richtung gehen:
Entlasten einer Seite = Steuerdruck weg. Die Hand mit der Bremse „fällt“ praktisch automatisch soweit runter, bis die Bremse wieder greift. Der Steuerleinenzug geschieht reflexartig und praktisch automatisch genau in der passenden Stärke, um ein weiteres Entleeren der Seite zu stoppen bzw. sie beim Wiederfüllen zu unterstützen. Gleichzeitig, ebenfalls reflexartig, versuche ich (so wie es schon Baris beschrieben hat) nicht „reinzukippen“, dazu halte ich die Bremse auf der offenen Seite auf Spannung und stütze mich mit dem Handgelenk am Tragegurt ab (s. auch Markus Schmidt). Meist wars das schon, d.h. es klappt gar nicht erst, wenn doch, dann nicht so tief, und die Methode verhindert auf jeden fall, dass man auf der offenen Seite ZUVIEL bremst. Das ist m. E. das Gefährlichste.
Sehr große Klapper (> 60-70 %) hab ich, wenn ich’s noch richtig zusammengezählt krieg, mit 2ern bisher insgesamt erst drei kassiert. An den letzten (vor 2 Wochen) kann ich mich sehr gut erinnern: der Schirm klappte links weg und fiel zunächst leicht nach hinten. Hab – instinktiv – mit gelösten Bremsen erstmal gewartet. Der Wegdreh-Impuls kam erst als ich wieder druntergependelt war, am Steuerdruck deutlich zu fühlen, hab mich dabei wie oben beschrieben rechts im Tragegurt abgestützt und die Bremse leicht auf Zug gehalten. Da begann der Klapper schon wieder zu öffnen, insgesamt nur ca. 30-40° weggedreht. Das Ganze dauerte ca. 1 Sekunde.
Hätte ich gleich die Bremse gezogen, hätt ich vermutlich das bißchen Schirmrest, was noch stand, komplett abgerissen.
Fazit:
1. wir müssen den Horror vor Einklappern ablegen. Der Klapper selber ist nicht das gefährliche, sondern die Angstreaktion mit hektischem Bremseinsatz. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein 1-er Schirm nach einem Klapper abstürzen kann.
2. viel fliegen und wenns nicht zu fliegen geht, auf der Wiese spielen, so oft wie möglich. Das Schirmgefühl kommt nur durch Üben, das dauert Stunden, Tage, Wochen. Nicht in den Schirm schauen, sondern nur fühlen. Steuerdruck, Körperdruck, Unterlaufen, Zug und Entlastung der Tragegurte, Gewichtsverlagerung. Der Schirm wird ein Teil von dir...
3. Mit dem Gefühl kommt die instinktiv richtige Reaktion, du schaffst dir Reflexe, auf die du dich verlassen kannst. Nur das gibt Sicherheit, nicht theoretisch Eingelerntes, das man dann im Stress nicht mehr gebacken kriegt.
4. Aber auch dies: Wenn ich einen großen Klapper kassiere, dann hab ich schon vorher was falsch gemacht. Entweder war schon meine Startentscheidung falsch (Wettereinschätzung) oder bin ich ins Lee geschüsselt (Flugplanung, Windbeobachtung) oder die Verhältnisse (Thermik, Windstärke) entsprechen insgesamt nicht meinem Können oder ich bin unkonzentriert, müde, schlecht drauf. D.h. ich geh jetzt schleunigst landen. Ich fühl mich nicht als dollen Hecht, wenn ich Mega-Zerleger cool weggesteckt habe...
beste Fliegergrüße,
Bettina
die folgenschweren Einklapper-Unfälle geben mir auch zu denken. Mittlerweile frag ich mich, ob die DHV-Lehrmeinung zum Umgang mit Klappern (Gegenbremsen/Stabilisieren, dann auf der eingeklappten Seite pumpen) wirklich in jedem Fall und für jeden Schirm (zwischen Kat. 1 und 2, mit Hochleistern hab ich keine nennenswerten Erfahrungen) noch aktuell ist – bzw. die Vermittlung dieser Lehrmeinung als alleinige Methode. Ich will versuchen, es zu begründen:
Wir lernen in der Ausbildung einen relativ komplizierten, aus mehreren „Arbeitsgängen“ bestehenden Vorgang, den wir später unter Stress, nach einem Riesenschreck („ogottogott, ich hab n Klapper!!!“) bewältigen sollen.
Wir haben – nicht zuletzt angesichts der Unfallstatistik – einen Mordshorror vor Einklappern. Und deshalb, so mein Eindruck, reagieren wir nicht zu spät und zu schwach, sondern zu früh und zu heftig!
Mit der brav gelernten Lehrmethode bin ich 1999 zum Sicherheitstraining gefahren – und hab dort von acht oder zehn Versuchen grade mal zwei so halbwegs zur Zufriedenheit des Trainingsleiters hingekriegt. Weil ich mir selber Stress gemacht und hektisch an den Bremsen rumgezerrt habe, anstatt mich auf mein Gefühl (Fluglage, Schirm„meldungen“ über die Tragegurte, Steuerdruckzu- und abnahme auf der offenen Seite) zu verlassen – wie ich es normalerweise machte.
Karls Fazit am Ende war „Mit dem Kat. 2-Schirm überfordert“. Musste ich so hinnehmen: er hatte nach dem, was ich da mit der statistisch häufigsten Unfallursache als Flugfigur überm See abgeliefert hatte, völlig Recht. Ich hab nur hinterher darüber nachgedacht, warum ich mit „kassierten“ ungewollten Klappern (nicht nur Öhrchenflattern) zuvor noch nie wirklich Stress gehabt hatte.
Walter Schrempf ist vor zwei Jahren heftigst abgewatscht worden, als er eine Alternativmethode zur Klapperbehebung beschrieben hat: (sinngemäß wiedergegeben)
„eingeklappte Seite mit einem kräftigen Steuerleinenzug öffnen, dabei NICHT gegenbremsen“.
Das konnte ich mir ehrlich gesagt damals auch nicht so recht vorstellen, hab aber dann mit der Zeit einige Beobachtungen/Erfahrungen gemacht, die zumindest bei beginnenden und bei kleineren Klappern < 50 %, wo auch von der Hinterkante noch was „steht“ in diese Richtung gehen:
Entlasten einer Seite = Steuerdruck weg. Die Hand mit der Bremse „fällt“ praktisch automatisch soweit runter, bis die Bremse wieder greift. Der Steuerleinenzug geschieht reflexartig und praktisch automatisch genau in der passenden Stärke, um ein weiteres Entleeren der Seite zu stoppen bzw. sie beim Wiederfüllen zu unterstützen. Gleichzeitig, ebenfalls reflexartig, versuche ich (so wie es schon Baris beschrieben hat) nicht „reinzukippen“, dazu halte ich die Bremse auf der offenen Seite auf Spannung und stütze mich mit dem Handgelenk am Tragegurt ab (s. auch Markus Schmidt). Meist wars das schon, d.h. es klappt gar nicht erst, wenn doch, dann nicht so tief, und die Methode verhindert auf jeden fall, dass man auf der offenen Seite ZUVIEL bremst. Das ist m. E. das Gefährlichste.
Sehr große Klapper (> 60-70 %) hab ich, wenn ich’s noch richtig zusammengezählt krieg, mit 2ern bisher insgesamt erst drei kassiert. An den letzten (vor 2 Wochen) kann ich mich sehr gut erinnern: der Schirm klappte links weg und fiel zunächst leicht nach hinten. Hab – instinktiv – mit gelösten Bremsen erstmal gewartet. Der Wegdreh-Impuls kam erst als ich wieder druntergependelt war, am Steuerdruck deutlich zu fühlen, hab mich dabei wie oben beschrieben rechts im Tragegurt abgestützt und die Bremse leicht auf Zug gehalten. Da begann der Klapper schon wieder zu öffnen, insgesamt nur ca. 30-40° weggedreht. Das Ganze dauerte ca. 1 Sekunde.
Hätte ich gleich die Bremse gezogen, hätt ich vermutlich das bißchen Schirmrest, was noch stand, komplett abgerissen.
Fazit:
1. wir müssen den Horror vor Einklappern ablegen. Der Klapper selber ist nicht das gefährliche, sondern die Angstreaktion mit hektischem Bremseinsatz. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein 1-er Schirm nach einem Klapper abstürzen kann.
2. viel fliegen und wenns nicht zu fliegen geht, auf der Wiese spielen, so oft wie möglich. Das Schirmgefühl kommt nur durch Üben, das dauert Stunden, Tage, Wochen. Nicht in den Schirm schauen, sondern nur fühlen. Steuerdruck, Körperdruck, Unterlaufen, Zug und Entlastung der Tragegurte, Gewichtsverlagerung. Der Schirm wird ein Teil von dir...
3. Mit dem Gefühl kommt die instinktiv richtige Reaktion, du schaffst dir Reflexe, auf die du dich verlassen kannst. Nur das gibt Sicherheit, nicht theoretisch Eingelerntes, das man dann im Stress nicht mehr gebacken kriegt.
4. Aber auch dies: Wenn ich einen großen Klapper kassiere, dann hab ich schon vorher was falsch gemacht. Entweder war schon meine Startentscheidung falsch (Wettereinschätzung) oder bin ich ins Lee geschüsselt (Flugplanung, Windbeobachtung) oder die Verhältnisse (Thermik, Windstärke) entsprechen insgesamt nicht meinem Können oder ich bin unkonzentriert, müde, schlecht drauf. D.h. ich geh jetzt schleunigst landen. Ich fühl mich nicht als dollen Hecht, wenn ich Mega-Zerleger cool weggesteckt habe...
beste Fliegergrüße,
Bettina
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