Unfälle Tegelberg, Nebelhorn

Einklappen
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  • Bettina Ebeling
    Registrierter Benutzer
    • 05.06.2001
    • 601
    • Harz

    #16
    Hi Kollegen,

    die folgenschweren Einklapper-Unfälle geben mir auch zu denken. Mittlerweile frag ich mich, ob die DHV-Lehrmeinung zum Umgang mit Klappern (Gegenbremsen/Stabilisieren, dann auf der eingeklappten Seite pumpen) wirklich in jedem Fall und für jeden Schirm (zwischen Kat. 1 und 2, mit Hochleistern hab ich keine nennenswerten Erfahrungen) noch aktuell ist – bzw. die Vermittlung dieser Lehrmeinung als alleinige Methode. Ich will versuchen, es zu begründen:

    Wir lernen in der Ausbildung einen relativ komplizierten, aus mehreren „Arbeitsgängen“ bestehenden Vorgang, den wir später unter Stress, nach einem Riesenschreck („ogottogott, ich hab n Klapper!!!“) bewältigen sollen.
    Wir haben – nicht zuletzt angesichts der Unfallstatistik – einen Mordshorror vor Einklappern. Und deshalb, so mein Eindruck, reagieren wir nicht zu spät und zu schwach, sondern zu früh und zu heftig!

    Mit der brav gelernten Lehrmethode bin ich 1999 zum Sicherheitstraining gefahren – und hab dort von acht oder zehn Versuchen grade mal zwei so halbwegs zur Zufriedenheit des Trainingsleiters hingekriegt. Weil ich mir selber Stress gemacht und hektisch an den Bremsen rumgezerrt habe, anstatt mich auf mein Gefühl (Fluglage, Schirm„meldungen“ über die Tragegurte, Steuerdruckzu- und abnahme auf der offenen Seite) zu verlassen – wie ich es normalerweise machte.
    Karls Fazit am Ende war „Mit dem Kat. 2-Schirm überfordert“. Musste ich so hinnehmen: er hatte nach dem, was ich da mit der statistisch häufigsten Unfallursache als Flugfigur überm See abgeliefert hatte, völlig Recht. Ich hab nur hinterher darüber nachgedacht, warum ich mit „kassierten“ ungewollten Klappern (nicht nur Öhrchenflattern) zuvor noch nie wirklich Stress gehabt hatte.

    Walter Schrempf ist vor zwei Jahren heftigst abgewatscht worden, als er eine Alternativmethode zur Klapperbehebung beschrieben hat: (sinngemäß wiedergegeben)
    „eingeklappte Seite mit einem kräftigen Steuerleinenzug öffnen, dabei NICHT gegenbremsen“.

    Das konnte ich mir ehrlich gesagt damals auch nicht so recht vorstellen, hab aber dann mit der Zeit einige Beobachtungen/Erfahrungen gemacht, die zumindest bei beginnenden und bei kleineren Klappern < 50 %, wo auch von der Hinterkante noch was „steht“ in diese Richtung gehen:
    Entlasten einer Seite = Steuerdruck weg. Die Hand mit der Bremse „fällt“ praktisch automatisch soweit runter, bis die Bremse wieder greift. Der Steuerleinenzug geschieht reflexartig und praktisch automatisch genau in der passenden Stärke, um ein weiteres Entleeren der Seite zu stoppen bzw. sie beim Wiederfüllen zu unterstützen. Gleichzeitig, ebenfalls reflexartig, versuche ich (so wie es schon Baris beschrieben hat) nicht „reinzukippen“, dazu halte ich die Bremse auf der offenen Seite auf Spannung und stütze mich mit dem Handgelenk am Tragegurt ab (s. auch Markus Schmidt). Meist wars das schon, d.h. es klappt gar nicht erst, wenn doch, dann nicht so tief, und die Methode verhindert auf jeden fall, dass man auf der offenen Seite ZUVIEL bremst. Das ist m. E. das Gefährlichste.

    Sehr große Klapper (> 60-70 %) hab ich, wenn ich’s noch richtig zusammengezählt krieg, mit 2ern bisher insgesamt erst drei kassiert. An den letzten (vor 2 Wochen) kann ich mich sehr gut erinnern: der Schirm klappte links weg und fiel zunächst leicht nach hinten. Hab – instinktiv – mit gelösten Bremsen erstmal gewartet. Der Wegdreh-Impuls kam erst als ich wieder druntergependelt war, am Steuerdruck deutlich zu fühlen, hab mich dabei wie oben beschrieben rechts im Tragegurt abgestützt und die Bremse leicht auf Zug gehalten. Da begann der Klapper schon wieder zu öffnen, insgesamt nur ca. 30-40° weggedreht. Das Ganze dauerte ca. 1 Sekunde.
    Hätte ich gleich die Bremse gezogen, hätt ich vermutlich das bißchen Schirmrest, was noch stand, komplett abgerissen.

    Fazit:
    1. wir müssen den Horror vor Einklappern ablegen. Der Klapper selber ist nicht das gefährliche, sondern die Angstreaktion mit hektischem Bremseinsatz. Anders kann ich mir nicht erklären, wie ein 1-er Schirm nach einem Klapper abstürzen kann.
    2. viel fliegen und wenns nicht zu fliegen geht, auf der Wiese spielen, so oft wie möglich. Das Schirmgefühl kommt nur durch Üben, das dauert Stunden, Tage, Wochen. Nicht in den Schirm schauen, sondern nur fühlen. Steuerdruck, Körperdruck, Unterlaufen, Zug und Entlastung der Tragegurte, Gewichtsverlagerung. Der Schirm wird ein Teil von dir...
    3. Mit dem Gefühl kommt die instinktiv richtige Reaktion, du schaffst dir Reflexe, auf die du dich verlassen kannst. Nur das gibt Sicherheit, nicht theoretisch Eingelerntes, das man dann im Stress nicht mehr gebacken kriegt.
    4. Aber auch dies: Wenn ich einen großen Klapper kassiere, dann hab ich schon vorher was falsch gemacht. Entweder war schon meine Startentscheidung falsch (Wettereinschätzung) oder bin ich ins Lee geschüsselt (Flugplanung, Windbeobachtung) oder die Verhältnisse (Thermik, Windstärke) entsprechen insgesamt nicht meinem Können oder ich bin unkonzentriert, müde, schlecht drauf. D.h. ich geh jetzt schleunigst landen. Ich fühl mich nicht als dollen Hecht, wenn ich Mega-Zerleger cool weggesteckt habe...

    beste Fliegergrüße,
    Bettina
    Das Vertrauen der Unschuldigen ist das mächtigste Werkzeug des Lügners. (Stephen King)

    Kommentar

    • Ma Schmi
      • 05.06.2001
      • 829

      #17
      Hi Hari,

      jahrelang wurde uns erzählt, man solle die Kreuzgurte locker haben, weil durch das unwillkürliche Abkippen auf die entlastete Seite ein Beinaheklapper automatisch gemildert wird.
      Du und andere behauptet hier ich soll mich aktiv auf die offene Seite lehnen. Dies ist ein Widerspruch.

      Zur Definition der hier behandelten Klapper:
      1/3 Eintrittskante ist so jämmerlich klein dass du machen kannst was Du willst. Die Kiste geht einfach von selber wieder auf.
      Da kippt man doch praktisch nicht ab weil es nicht mehr als ein angelegtes Ohr ist.

      Bevor nicht die halbe Fläche weg ist passiert doch nichts wirklich dramatisches. Zumindest nicht bei Trimmspeed und den Anfängerschirmen die ich so fliege.

      Ansonsten finde ich den Beitrag von Bettina recht clever. Letztendlich fliege ich auch so nach Kraft wie es auch Armin kürzlich auch schon mal propagiert hat.
      Steuerwege können trügen, die Reaktion des Schirms auf den Bremseninput kann ganz anders sein als man denkt, die Bremskraft gibt finde ich aber ein ganz gutes Feedback von der Strömung.
      Ich habe vor ein paar Jahren bei einem Megazerleger übrigens auch flugs eine Seite abgerissen vor lauter korrigieren und stützen. Das war mir aber erst hinterher nach eingehender Gedankenanalyse klar. Wenn ein Klapper direkt in den nächsten übergeht ist es halt auch nicht mehr wie im Schulbuch.

      Bettina, schleim schleim, du schreibst wirklich durchdachte Statements und gehst wohl mit eigenem Verstand zum Fliegen.
      Schreib doch mal was für die Ente.

      Gruß Markus Schmidt

      Kommentar

      • Schorsch
        • 05.06.2001
        • 401

        #18
        Hallo Leute,
        erstmal vielen Dank für die vielen guten Tips.
        Zur Diskussion, die Bettina angeregt hat, muß ich sagen, ich fliege in der Regel so, wie von Baris angeraten. Und dann gibt es so gut wie keine Klapper, man merkt schnell, wenn der Schirm klappen will und kann rechtzeitig stützen. Dann hilft auch das Abstützen an den Tragegurten, wenn´s heftig wird, stütze ich mich meist mit dem Oberarm gegen die Rückenlehne des Gurtzeugs ab, hab`dann die Hände besser frei für jeden Steuerweg. Aber dabei läßt man dem Schirm seine Fahrt, gleicht nur die Lastschwankungen aus. So wie es heute war, thermisch bockig, es trägt überall, aber man behält trotz heftiger Steuerausschläge immer eine Fahrt von 35 bis 45 km/h.
        Aber was ich meinte, sind die richtigen brutalen Klapper, die eine Bö oder Turbulenz Dir ganz plötzlich aufs Dach knallt. Dann gehts nämlich so, wie von Markus in seinem Schaukelvergleich beschrieben: Du bist vielleicht 100m über Grund, fliegst eine Kurve und plötzlich kippst Du nach außen weg und hörst über Dir das Rascheln, der Schirm dreht unglaublich schnell weg, obwohl (oder weil?) die noch offene Seite bereits angebremst war.
        Zu der Frage ob jetzt Kreuzgurte hilfreich oder schädlich sind, gibt`s wohl unterschiedliche Ansichten. Ich glaube bisher nämlich auch, daß man mit offenen oder fehlenden Kreuzgurten erstmal auf die eingeklappte Seite hin fällt, das Wegdrehen verstärkt und dann Mühe hat, sein Gewicht nach "oben" zu bringen und dabei auch noch dosiert zu steuern. Aber andererseits muß es ja auch einen Grund haben, daß die modernen Gurtzeuge keine Kreuzgurte mehr haben (und mir wesentlich unbequemer vorkommen als mein gutes Alto volo). Und anscheinend gibt es eine Menge Leute, die meine Probleme nicht haben. Aber warum?
        Servus
        Georg

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        • MH
          Registrierter Benutzer
          • 03.06.2001
          • 1171

          #19
          Und damit wird klar:

          Finde, die Diskusison verläuft absolut genial, weil äußerst zielführend!

          Die einzig logische Konsequenz nämlich, die eigentlich jedem nach Studium der äußerst divergierenden obigen Meinungen aufleuchten muß ist die, daß es das Patentrezept zur Klapperbehandlung nicht gibt!

          Damit wäre auch Bettinas Frage zur DHV-"Lehrmeinung" beantwortet.
          Ich reagiere komplett unterschiedlich, habe ich einen kleineren Klapper, lasse ich ihn fliegen und pumpe nur leicht. Klappt die Kappe massiv, bremse ich erst gegen und pumpe im ertsen Moment in dem ich die Rotation gestoppt habe wenn der Schirm vor mir liegt. Klappt der Schirm zögerlich, pumpe ich möglicherweise vorher noch um ein endgültiges Klappen zu verhindern.
          Klappt der Schirm in großer Höhe, lasse ich ihn lieber mal über ein oder gar mehrere Umdrehungen fliegen um nicht unnötig nahe an den Abrißpunkt zu kommen, klappt er zehn Meter überm LP, gib´s nur eins, nämlich konsequnetes Stabilisieren um jeden Preis, Wegdrehen verhindern.
          Auch habe ich schon mehrfach die (teils recht heftigen) Dinger erlebt, wo aber die offene Hälfte im Aufwind hinten hängen bleibt und extrem abrißgefährdet ist, wie von Bettina beschrieben, wo man also erstmal gar nicht bremsen sollte bis die Kappe vorkommt.

          Es bleibt jedem selbst überlassen, welche persönlichen Schlußfolgerungen hieraus zu ziehen sind.

          Markus
          Born to glide
          http://www.borntoglide.de
          http://www.bodenlos.de

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