AW: NEOTIME - ZeitVer10erung!
Unterschätz das nicht! Die Einführung des metrischen Systems war auch damals ein hart erkämpftes und nur teilweise erfolgreiches Vorhaben. Zwischen 1791, als die beiden Astronomen Delambre und Mechain von der französischen verfassungsgebenden Versammlung beauftragt wurden, den Viertelmeridian der Erde zu vermessen (als dessen zehnmillionstel Teil das Meter definiert werden sollte) bis zur Meterkonvention von 1875, dem sich damals gerade mal 17 Staaten anschlossen, liegt ein ganzes Menschenleben. Selbst innerhalb Frankreichs dauerte es Generationen, bis sich das System durchsetzte. Zur Zeit des Jakobiner-Terrors installiert, von Napoleon zwischenzeitlich einkassiert, mußte es erst den Bleimantel der Tradition abstreifen. Und das, obwohl der Druck ungeheuer gewesen sein muß:
Vielleicht ist das der wahre Grund, warum sich Justitia, die Göttin des Rechtswesens, die ausgerechnet eine Waage zum Symbol der Gerechtigkeit erkor, die Augen verbunden hat: Schiere Verzweiflung muß sie überkommen haben angesichts des babylonischen Maßengewirrs... Die alltäglichen Problem des Handels müssen unbeschreiblich gewesen sein. Daß wir sie uns kaum mehr vorstellen können, ist eine keineswegs selbstverständliche Errungenschaft!
Und da glauben wir geschichtslosen Narren, mit der Erfindung eines neuen Wortes hätten wir gleich noch ein vollkomen neuartiges Phänomen entdeckt: Die "Globalisierung"... Was für ein Unfug: Das metrische System war Globalisierung pur, 100 Jahre erbittert umkämpft. Und auch wenn man den Gedanken nur ungern an sich herankommen läßt: Vielleicht bedurfte es der Robespierreschen Schreckensherrschaft, des terreur und der Guillotine, um eine derart radikale Veränderung auf den Weg zu bringen. Gute Gründe alleine, wissenschaftliche, systematische, selbst ökonomische, reichen für soetwas wohl nicht.
Und in einem Aufwasch mit der Neudefinition von Gewichts- und Längenmaßen wurde auch der Takt der Zeit revidiert: Der Monat aufgeteilt auf 3 Wochen zu 10 Tagen, der Tag unterteilt in 10 Stunden a 100 Minuten a 100 Sekunden. Das eine hat sich durchgesetzt, das andere nicht. In den Museen Frankreichs kann man die alten neuen Uhren noch bewundern:
Und auch den 400-Grad-Kreis haben die Weltveränderer jener Zeit zu etablieren versucht:
Warum es so kam (Kilogramm und Meter ja, Dezimalzeit und 400-Grad-Kreis nein) und nicht anders, läßt sich zwar im Detail verfolgen, aber nicht wirklich beantworten. An den entscheidenden Wegmarken waren es, wie so oft, die kleingeistigen Entschlüsse der Politik im wabernden Nebel von Stimmungen, Lobbyismen und Rivalitäten, die das System prägten. Als die amerikanischen Kongreßmitglieder ihrem Präsidenten und Verfasser ihrer Unabhängigkeitserklärung, Thomas Jefferson, einen Denkzettel erteilten und so verhinderten, daß die USA als zweite Nation nach Frankreich die metrische Lokomotive befeuerte, werden sie ohne Zweifel ihre guten, wenn auch nicht sonderlich sachbezogenen, Gründe gehabt haben. Die aber aus mindestens ebenso guten Gründen längst vergessen sind. Nur wäre anderenfalls 190 Jahre später der NASA erspart geblieben, eine achtelmillarde Dollar mit kosmischem Schwung in den Wüstensand des Mars zu rammen, weil an der Schnittstelle zweier Trajektorie-Arbeitsgruppen jemand verabsäumt hatte, deren Maßeinheiten abzustimmen...
Wen das Thema interessiert, dem sei das Buch von Ken Alder "Das Maß der Welt" empfohlen. Ich habe es vor Jahren mit großem Vergnügen gelesen und dabei nebenbei zu meinem Spott über den "Globalisierungs"-Hype gefunden.
Gruß Rüdiger
Unterschätz das nicht! Die Einführung des metrischen Systems war auch damals ein hart erkämpftes und nur teilweise erfolgreiches Vorhaben. Zwischen 1791, als die beiden Astronomen Delambre und Mechain von der französischen verfassungsgebenden Versammlung beauftragt wurden, den Viertelmeridian der Erde zu vermessen (als dessen zehnmillionstel Teil das Meter definiert werden sollte) bis zur Meterkonvention von 1875, dem sich damals gerade mal 17 Staaten anschlossen, liegt ein ganzes Menschenleben. Selbst innerhalb Frankreichs dauerte es Generationen, bis sich das System durchsetzte. Zur Zeit des Jakobiner-Terrors installiert, von Napoleon zwischenzeitlich einkassiert, mußte es erst den Bleimantel der Tradition abstreifen. Und das, obwohl der Druck ungeheuer gewesen sein muß:
Zitat von Ken Alder: Das Maß der Welt, S. 15
Und da glauben wir geschichtslosen Narren, mit der Erfindung eines neuen Wortes hätten wir gleich noch ein vollkomen neuartiges Phänomen entdeckt: Die "Globalisierung"... Was für ein Unfug: Das metrische System war Globalisierung pur, 100 Jahre erbittert umkämpft. Und auch wenn man den Gedanken nur ungern an sich herankommen läßt: Vielleicht bedurfte es der Robespierreschen Schreckensherrschaft, des terreur und der Guillotine, um eine derart radikale Veränderung auf den Weg zu bringen. Gute Gründe alleine, wissenschaftliche, systematische, selbst ökonomische, reichen für soetwas wohl nicht.
Und in einem Aufwasch mit der Neudefinition von Gewichts- und Längenmaßen wurde auch der Takt der Zeit revidiert: Der Monat aufgeteilt auf 3 Wochen zu 10 Tagen, der Tag unterteilt in 10 Stunden a 100 Minuten a 100 Sekunden. Das eine hat sich durchgesetzt, das andere nicht. In den Museen Frankreichs kann man die alten neuen Uhren noch bewundern:
Und auch den 400-Grad-Kreis haben die Weltveränderer jener Zeit zu etablieren versucht:
Zitat von Ken Alder: Das Maß der Welt, S. 190
Wen das Thema interessiert, dem sei das Buch von Ken Alder "Das Maß der Welt" empfohlen. Ich habe es vor Jahren mit großem Vergnügen gelesen und dabei nebenbei zu meinem Spott über den "Globalisierungs"-Hype gefunden.
Gruß Rüdiger
Kommentar