AW: Vom Föhndurchbruch erwischt
Ich möchte auch ein Erlebnis beschreiben, das eher vom Motto „Föhn kommt unverhofft“ ist. Es war am 18.7.2006, auf einem Streckenflug von Fiesch (CH, siehe OLC). Angesagt war leichter Südwind und die Bedingungen waren perfekt (Wetterbericht). Ich wollte ein 200er-FAI fliegen und setzte meine ersten beiden Wendepunkte beim Grimsel und Sanetsch. Auch der Flug nach ganz hinten zum Stellihorn über dem Mattmarksee im Saastal klappte, auch wenn dieser Wendepunkt gegen den (leichten) Südwind durch das Lee des Alpenhauptkamms angeflogen werden musste. Also machte ich mich auf den letzten Schenkel, den Heimflug nach Fiesch. Mit etwas Rückenwind-Unterstützung und einer Höhe von >4000m über dem Weissmies vermeintlich eine Formsache.
Als ich das Fletschhorn passiert hatte und Richtung Nanztal-Simplon halten wollte, wurde ich plötzlich und unverhofft von einer starken (Wind)Strömung erfasst. Subito hatte ich 80km/h Groundspeed und es bestand gar keine Alternative, als mich in den Kessel des Nanztals spülen zu lassen. Das war alles andere als lustig, denn dieses fällt im oberen Teil nicht sonderlich stark ab. Mein Gleitwinkel in diesem Fallwind (80km/h mit 5-8m/s Sinken) entsprach +/- der Neigung des Geländes.
Solches wäre bei an sich ruhiger Luft schon bedenklich gewesen, doch natürlich war es auch turbulent. Ich musste einen unverhinderbaren Totalzerleger über mich ergehen lassen. Der Schirm wurde wie von einer Riesenhand zu einem Knäuel zusammengeballt. Viel schlimmer als jeder Fullstall, mit entsprechend mehr Sinken und Höhenverlust. Immerhin konnte ich den Schirm (trusty old Mamboo) sauber wieder anfahren lassen. Dennoch führte der Höhenverlust dazu, dass ich nun nicht mehr viel Reserve gegenüber dem Talboden hatte. Aber immer noch einen guten 80er Groundspeed, dazu alles voller Bäume und mit der Gewissheit, dass der nächste Zerleger mich definitiv in Schwierigkeiten bringen würde.
Gedanklich spielte ich die Optionen durch, a) Umdrehen und einigermassen kontrolliert in die Bäume oder b) Notschirm, eine miserable und höchst gefährliche Option. Gleichzeitig gab ich alles, um die Kappe offen zu halten. Das gelang, und nach einer als Ewigkeit gefühlten Weile erreichte ich die Zone, wo das Tal steiler abfällt. Mit der Zeit wurden Sinken und Rückenwind weniger. Es galt noch, die extrem turbulente Zone zu durchfliegen, wo der Talwind (aus NW) mit dem Fallwind (aus S) zusammentraf. Aber als ich dann in der Konvergenz drin war, hatte ich wieder gutes Steigen. Ich drehte auf, das war die sichere Option, denn eine Landung im Walliser Talboden an der Mündung des Nanztals wäre ob den kämpfenden Windsystemen, dem knappen Platz und einer potenziellen Düsenwirkung sicher viel gefährlicher gewesen…
Zur Frage nach dem Warum: eine leichte Südlage war wohl präsent, die Druckdifferenz war aber unkritisch und wie meiner (und viele andere) Flüge an diesem Tag gezeigt hatte, konnte selbst der Hauptkamm aus dem Lee kommend erreicht werden. Also definitiv keine Föhnlage in dieser Region. Andererseits stellt der Strich vom Simplon via Nanztal für den Südwind die Zone des geringsten Widerstands dar. Wenns pfeift, dann dort zuallererst. Dazu beigetragen hatte möglicherweise auch ein kurzer Graupelschauer aus einer Quellwolke, der sich gemäss Aussagen anderer Piloten unmittelbar zuvor nördlich vom Fletschhorn ergeben hatte. Ich hatte davon nichts bemerkt. Die dabei ausfliessende Kaltluft mag der Auslöser für diesen Föhnstoss bzw. Fallwind gewesen sein, der sozusagen das Fass zum überschwappen brachte. In der (ca.) Stunde vor meinem Durchflug durchflogen über ein Dutzend Piloten vor mir das Nanztal ohne Probleme. Zwei weitere Piloten waren vor mir in Sichtweite, auch diese erlebten den starken Fallwind, wurden aber nicht ganz so arg durchgeschüttelt wie ich und waren daher auch höher.
Fazits:
Föhn ist nicht nur dann, wenn Föhn angesagt ist. Unter ungünstigen Bedingungen können lokal schon bei leichtem Überdruck Föhneffekte auftreten, die einem Gleitschirmfliegen zum Verhängnis werden können. Bei Südlage sind die Vispertäler ganz einfach heikel – genau darum fliegt man das grosse Fiescher FAI bevorzugt bei einer leichten Nordlage (denn die starke Thermik kompensiert den Nordwind an den Südhängen viel besser als die schwache Thermik an den Nordhängen den Südwind kompensiert).
Wenn einem der Föhn (oder sonst eine ungute, windig-turbulente Lage, zB Böenwalze eines Gewitters, Kaltluftausfluss) packt, dann soll man nicht vergessen, den Schirm weiter zu fliegen. Mit genügend Höhe sind die Störungen am Schirm wohl unangenehm, aber auch kaum wirklich gefährlich. Eine durchgewürgte Landung am falschen Ort kann hingegen Lebensgefahr bedeuten. Es ist sicher am besten, alle Handlungsoptionen durchzuspielen und dabei in Betracht zu ziehen, vom Ort des (schlimmsten) Geschehens wegzufliegen und an einer geschützten Stelle (frei angeströmt, keine Düsenwirkung, meist besser am Hang als im Talboden oder Seitental, grossräumiger Windschatten/Lee) eine Landung zu versuchen.
Ich möchte auch ein Erlebnis beschreiben, das eher vom Motto „Föhn kommt unverhofft“ ist. Es war am 18.7.2006, auf einem Streckenflug von Fiesch (CH, siehe OLC). Angesagt war leichter Südwind und die Bedingungen waren perfekt (Wetterbericht). Ich wollte ein 200er-FAI fliegen und setzte meine ersten beiden Wendepunkte beim Grimsel und Sanetsch. Auch der Flug nach ganz hinten zum Stellihorn über dem Mattmarksee im Saastal klappte, auch wenn dieser Wendepunkt gegen den (leichten) Südwind durch das Lee des Alpenhauptkamms angeflogen werden musste. Also machte ich mich auf den letzten Schenkel, den Heimflug nach Fiesch. Mit etwas Rückenwind-Unterstützung und einer Höhe von >4000m über dem Weissmies vermeintlich eine Formsache.
Als ich das Fletschhorn passiert hatte und Richtung Nanztal-Simplon halten wollte, wurde ich plötzlich und unverhofft von einer starken (Wind)Strömung erfasst. Subito hatte ich 80km/h Groundspeed und es bestand gar keine Alternative, als mich in den Kessel des Nanztals spülen zu lassen. Das war alles andere als lustig, denn dieses fällt im oberen Teil nicht sonderlich stark ab. Mein Gleitwinkel in diesem Fallwind (80km/h mit 5-8m/s Sinken) entsprach +/- der Neigung des Geländes.
Solches wäre bei an sich ruhiger Luft schon bedenklich gewesen, doch natürlich war es auch turbulent. Ich musste einen unverhinderbaren Totalzerleger über mich ergehen lassen. Der Schirm wurde wie von einer Riesenhand zu einem Knäuel zusammengeballt. Viel schlimmer als jeder Fullstall, mit entsprechend mehr Sinken und Höhenverlust. Immerhin konnte ich den Schirm (trusty old Mamboo) sauber wieder anfahren lassen. Dennoch führte der Höhenverlust dazu, dass ich nun nicht mehr viel Reserve gegenüber dem Talboden hatte. Aber immer noch einen guten 80er Groundspeed, dazu alles voller Bäume und mit der Gewissheit, dass der nächste Zerleger mich definitiv in Schwierigkeiten bringen würde.
Gedanklich spielte ich die Optionen durch, a) Umdrehen und einigermassen kontrolliert in die Bäume oder b) Notschirm, eine miserable und höchst gefährliche Option. Gleichzeitig gab ich alles, um die Kappe offen zu halten. Das gelang, und nach einer als Ewigkeit gefühlten Weile erreichte ich die Zone, wo das Tal steiler abfällt. Mit der Zeit wurden Sinken und Rückenwind weniger. Es galt noch, die extrem turbulente Zone zu durchfliegen, wo der Talwind (aus NW) mit dem Fallwind (aus S) zusammentraf. Aber als ich dann in der Konvergenz drin war, hatte ich wieder gutes Steigen. Ich drehte auf, das war die sichere Option, denn eine Landung im Walliser Talboden an der Mündung des Nanztals wäre ob den kämpfenden Windsystemen, dem knappen Platz und einer potenziellen Düsenwirkung sicher viel gefährlicher gewesen…
Zur Frage nach dem Warum: eine leichte Südlage war wohl präsent, die Druckdifferenz war aber unkritisch und wie meiner (und viele andere) Flüge an diesem Tag gezeigt hatte, konnte selbst der Hauptkamm aus dem Lee kommend erreicht werden. Also definitiv keine Föhnlage in dieser Region. Andererseits stellt der Strich vom Simplon via Nanztal für den Südwind die Zone des geringsten Widerstands dar. Wenns pfeift, dann dort zuallererst. Dazu beigetragen hatte möglicherweise auch ein kurzer Graupelschauer aus einer Quellwolke, der sich gemäss Aussagen anderer Piloten unmittelbar zuvor nördlich vom Fletschhorn ergeben hatte. Ich hatte davon nichts bemerkt. Die dabei ausfliessende Kaltluft mag der Auslöser für diesen Föhnstoss bzw. Fallwind gewesen sein, der sozusagen das Fass zum überschwappen brachte. In der (ca.) Stunde vor meinem Durchflug durchflogen über ein Dutzend Piloten vor mir das Nanztal ohne Probleme. Zwei weitere Piloten waren vor mir in Sichtweite, auch diese erlebten den starken Fallwind, wurden aber nicht ganz so arg durchgeschüttelt wie ich und waren daher auch höher.
Fazits:
Föhn ist nicht nur dann, wenn Föhn angesagt ist. Unter ungünstigen Bedingungen können lokal schon bei leichtem Überdruck Föhneffekte auftreten, die einem Gleitschirmfliegen zum Verhängnis werden können. Bei Südlage sind die Vispertäler ganz einfach heikel – genau darum fliegt man das grosse Fiescher FAI bevorzugt bei einer leichten Nordlage (denn die starke Thermik kompensiert den Nordwind an den Südhängen viel besser als die schwache Thermik an den Nordhängen den Südwind kompensiert).
Wenn einem der Föhn (oder sonst eine ungute, windig-turbulente Lage, zB Böenwalze eines Gewitters, Kaltluftausfluss) packt, dann soll man nicht vergessen, den Schirm weiter zu fliegen. Mit genügend Höhe sind die Störungen am Schirm wohl unangenehm, aber auch kaum wirklich gefährlich. Eine durchgewürgte Landung am falschen Ort kann hingegen Lebensgefahr bedeuten. Es ist sicher am besten, alle Handlungsoptionen durchzuspielen und dabei in Betracht zu ziehen, vom Ort des (schlimmsten) Geschehens wegzufliegen und an einer geschützten Stelle (frei angeströmt, keine Düsenwirkung, meist besser am Hang als im Talboden oder Seitental, grossräumiger Windschatten/Lee) eine Landung zu versuchen.
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