Musterprüfung Drachen - wie geht es weiter?

Einklappen
X
 
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge
  • czuelch
    Registrierter Benutzer
    • 06.09.2001
    • 1429
    • Carsten Zülch

    Musterprüfung Drachen - wie geht es weiter?

    Die Fragen, das in diesem thread aufgekommen sind, verdienen ein eigenes Thema. Deshalb stelle ich mal hier mal Dinge rein, die ich teilweise schon in dem anderen thread geschrieben habe und die mich seit Längerem umtreiben.

    1. Pitch-Testwagen

    Der Pitch-Testwagen der Musterprüfstelle Drachen ist kaputtgegangen - konkret wohl der Messkopf. Nun, so etwas kommt vor. Aber der Testwagen ist monatelang nicht repariert worden. Bernhard schreibt, dass der DHV nach seiner Kenntnis mit der Instandsetzung darauf wartet, dass ein Hersteller prüfen lassen will.

    Das kann es ja wohl nicht sein, oder?! Man stelle sich das bitte mal vor: Ein Hersteller hat investiert und ein neues Drachenmodell fertig entwickelt (jawohl, das geschieht noch!!), und dann fängt der DHV an, sich um die Instandsetzung des Testwagens zu kümmern. Bis die Reparatur und Neu-Eichung dann (hoffentlich) erfolgreich durchgeführt ist, kann der Hersteller nicht verkaufen... Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern überhaupt nicht, denn man will doch als seriöser Hersteller sicher sein, dass das Gerät, für dessen Lufttüchtigkeit man einzustehen hat, auch wirklich lufttüchtig ist. Es geht einem seriösen Hersteller doch nicht nur darum, eine lästige Formalie zu erfüllen, sondern um eine objektive Bestätigung der Lufttüchtigkeit.

    Es ist wohl eher andersherum: So lange der DHV keinen funktionierenden Testwagen hat (was bekannt ist), wird niemand beim DHV eine Prüfung beantragen. Jeder wartet auf den anderen. Im Ergebnis werden keine neuen Geräte mustergeprüft.

    Also bitte: Eine anerkannte* Musterprüfstelle braucht funktionierendes Equipment. Darauf zu hoffen, dass keiner mehr Drachenmodelle testen lassen will, ist gleichbedeutend mit der Einstellung der Tätigkeit als Musterprüfstelle. Wenn das die Politik ist (was ich nicht hoffe), dann müssen wir uns über andere Lösungen unterhalten - da gibt es durchaus schon Überlegungen.

    * In dem anderen Thread habe ich mehrfach "beauftragt" geschrieben. Das ist für die Musterprüfung nicht richtig, da ist der DHV "anerkannte" Prüfstelle. Für meinen Punkt macht das aber keinen Unterschied.


    2. Anerkennung von Pitch- und Lasttests durch BHPA und HGMA

    Naheliegende Frage: Wenn der DHV-Testwagen nicht geht, warum lässt man die Tests dann nicht anderswo machen? Es gibt in Europa noch den Testwagen der BHPA (britischer Verband), in den USA den Testwagen der HGMA, vielleicht noch andere. Die BHPA und die HGMA testen nach ihren eigenen Standards, die nicht mit dem DHV-Standard übereinstimmen.

    In der LTF ist aber schon seit 2014 festgeschrieben, dass die deutschen Pitch- und Last-Messfahrten durch Pitch- und Lastmessungen nach BHPA- und HGMA-Standard ersetzt werden können (NfL II - 55/14). Der Grund für diese Ergänzung der LTF ist, dass auch die Tests der BHPA Und der HGMA anerkanntermaßen zu lufttüchtigen, sicheren Geräten führen. Also sollte es möglich sein, die Testfahrten z.B. in Großbritannien durchführen zu lassen und diese dann beim DHV einzureichen, wo das weitere Musterprüfungsverfahren durchgeführt wird.

    Tatsächlich sind zunächst auch einige WillsWing-Geräte (die eine HGMA-Prüfung hatten) auf diese Weise DHV-mustergeprüft worden. ABER: Seit der Akkreditierung durch die DAkkS steht der DHV - so höre ich - auf dem Standpunkt, dass die Anerkennung von HGMA- und BHPA-Testfahrten nicht möglich ist, weil diese Anerkennung von der Akkreditierung nicht umfasst sei.

    Auch das ist für mich unverständlich: Es ist in der LTF so vorgesehen, deshalb muss eben die Akkreditierung um ein Anerkennungsverfahren für die HGMA- und BHPA-Testfahrten ergänzt werden. So unlösbar kann dieses Problem nicht sein, man muss es nur anpacken.


    3. Vollständige Anerkennung von BHPA- und HGMA-Zertifizierungen

    Das wäre die einfachste und vernünftigste Lösung: Eine Zertifizierung der HGMA oder der BHPA gilt in Deutschland genauso wie eine deutsche Musterprüfung. Alles spricht dafür: Die Tests sind anerkanntermaßen gleichwertig, wie sich ja schon aus der Regelung in der LTF ergibt. Einen Testflug nebst Einstufung (DHV 1 - 3) könnte der DHV ja als Service anbieten, ähnlich wie die Safety-Classes.

    Wenn man § 11 Abs. 4 LuftGerPV liest, könnte man meinen, dass das zumindest für die BHPA jetzt schon möglich ist:
    Muster- oder Gerätezulassungen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind unmittelbar gültig und ersetzen die Prüfungen nach den Absätzen 1 und 2.
    Noch ist Großbritannien Mitglied der EU, also wo ist derzeit das Problem? Das Problem liegt nach Ansicht des DHV in den Worten "Muster- oder Gerätezulassungen eines Mitgliedstaates". Nach seiner Ansicht (und nach Ansicht des LBA?) bedeutet das, dass nur staatliche Gerätezulassung automatisch bei uns gelten. Da die BHPA aber nicht als staatliche Institution (sondern als Pilotenverband) angesehen wird, soll die Regelung für BHPA-Zertifikate nicht gelten.

    Die Frage ist: Welchen Anwendungsbereich hat die Regelung denn dann überhaupt? Welche ausländischen Prüfstellen sind denn wirklich "staatlich"?

    Nimmt man die 2014 erfolgte Änderung der LTF hinzu (mit der die BHPA-Drachen-Tests als gleichwertig anerkannt wurden, siehe oben), dann ist überhaupt nicht mehr verständlich, warum § 11 Abs. 4 LuftGerPV ausgerechnet für BHPA-Zertifikate nicht gelten soll.

    Hier ist nicht der DHV, sondern der Verordnungsgeber (LBA/BMVI) gefordert. Die Regelung sollte klargestellt werden, und zwar - damit es nicht zu kompliziert wird - speziell für Drachen. Die Rechtfertigung einer Sonderregelung für Drachen liegt in der geringen zahlenmäßigen Bedeutung des Drachenfliegens im Vergleich zum Gleitschirmfliegen und in dem vergleichsweise hohen Aufwand, der für die Pitch- und Lastmessungen getrieben werden muss.

    Ich wünsche mir also, dass § 11 Abs. 4 LuftGerPV um folgende 2 Sätze ergänzt wird:
    "Prüfungen von Hängegleitern nach den Vorgaben im HGMA-Standard, Ausgabe 2009, oder im BHPA-Standard, Ausgabe 2002, sind unmittelbar gültig und ersetzen die Prüfungen nach den Absätzen 1 und 2. Das gilt unabhängig von der Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union."

    Es versteht sich, dass damit die Ergänzung der Akkreditierung (oben 2.) entbehrlich würde. Das könnte auch für den DHV ein Grund sein, diese Änderung zu unterstützen.

    Gruß
    C.
    Zuletzt geändert von czuelch; 04.02.2017, 15:54.
  • Ikarus-Pellicci
    Registrierter Benutzer
    • 12.09.2007
    • 1445

    #2
    AW: Musterprüfung Drachen - wie geht es weiter?

    Hi Carsten,

    danke für deine klaren Worte.

    Mit all diese Ungereimtheiten müssen wir Hersteller uns seit vielen Jahren herumschlagen.
    Einen kleinen Erfolg etwas zu verbessern konnte ich mit meinem Antrag die LTF zu ändern erreichen. (NfL II - 55/14).
    2013 wurde von der DHV Prüfstelle die Gleichwertigkeit der Testverfahren bestätigt und danach geprüft.
    Ein mal HÜ, dann wieder HOTT bedeutet keine Zuverlässigkeit der Prüfstelle und ist schwer zu verstehen.
    Ein fortbestehen des Drachenfliegens und des Deutschen Gütesiegels fördert es bestimmt nicht.

    Tomas

    Ps: mit kleinen Änderungen ohne Prüfstelle kommen wir über die Runden, wer weis wie lange noch.

    Kommentar

    • bertS
      Registrierter Benutzer
      • 01.09.2005
      • 451
      • n.a.

      #3
      AW: Musterprüfung Drachen - wie geht es weiter?

      Hallo Carsten, hallo Tomas,
      Ich war immer einer der sich mit "seinem" Verband identifiziert hat und ihn gegenüber Kritik verteidigt hat.
      Das was Carsten hier schildert und was Tomas bestätigt/erleidet geht nicht. Hier geht es um Vertrauen:
      -Weil der Verband kein Vertrauen in die Drachenfliegerei hat, investiert er hier nicht mehr.
      -die Hersteller sind auf das Bereitstellen der Pitchtesteinrichtung angewiesen und werden sich aus dem deutschen Markt zurückziehen.
      -die noch vorhandenen Flugschulen können mangels zugelassener Schulungsdrachen und Einstiegsdrachen nicht mehr arbeiten.
      -der Nachwuchs bleibt aus, die Vereine überaltern.
      - wegen der Monopolstellung ei derZulassung werden auch keine ausländischen Geräte verkauft.
      => die Hängegleiter im Verband sterben aus.

      => das Hängegleiten stirbt in Deutschland.
      Mein Appell an den DHV:
      - Stellt eure Kompetenz bei der Durchführung der Messfahrten wieder her.
      - Arbeitet mit ausländischen Verbänden zusammen.
      - Reaktiviert alte (entschuldigung) Kompetenzträger (z.B. Schönherr) und aktiviert junge Talente.
      LG Bert

      Kommentar

      • schneidair
        Registrierter Benutzer
        • 04.01.2014
        • 295
        • Heiko Herzig

        #4
        AW: Musterprüfung Drachen - wie geht es weiter?

        Hallo miteinander,

        1. was ist denn eigentlich konkret am Messwagen defekt ?

        2. Was ist aus den Optimismus verströmenden Ansagen im Rahmen (am Rande) der letzten Jahrestagung geworden ?

        3. Wollen wir unsere Wünsche an den DHV nicht doch lieber konkret in Aufforderungen gießen und an den DHV adressieren ? Forum ist ja schön aber halt eine Dsikussionsplattform.
        Unsere Verbandskollegen könnten sich nicht angesprochen genug fühlen.
        Hatte mal vor ein paar Wochen eine Frage gepostet was ihr davon haltet wenn wir die DAkkS darüber informierten, dass der DHV die QS-Ansprüche gar nicht erfüllt.
        Dafür muss man aber schon konkret und im Detail und beweisbar benennen wo es hapert.

        Vorschlag:
        Sortieren was im Argen liegt, konkretes und nachprüfbares auflisten,
        dann offizieller Brief an DHV mit der Aufforderung die Mängel zu beheben.
        Parallel Diskussion, was es uns bringt den DHV (falls überhaupt zutreffend) zur Aufgabenerfüllung zu nötigen, durch Mitteilung an DAkkS.
        Wenn dann immer noch nichts passiert, offizielles Schreiben an DAkkS. (Was wir dem DHV vorher ankündigen falls dieser unser Anliegen ignoriert)
        Ich würde mich dazu bereit erklären aber fühle mich hier nicht ausreichend kompetent ohne euren Input.

        Der formale Teil wäre aber nur ein Schaffen von Freiraum damit unser Sport wieder entwickelt werden kann oder wenigstens nicht behindert wird.
        Dass uns ein Hochkaräter wie Prof. Schönherr aus dem Schlamassel führt brauchen wir nicht zu glauben.
        Kein Drachen-Jesus in Sicht, leider.
        Was wir vor allem brauchen, ist Tüftlergeist, das Wissen und die handwerklichen Fähigkeiten der verbliebenen Hersteller.
        Da nützt kein Geschreibsel an Verbände oder QS Stellen.

        Wie kann eigentlich der Wissenstransfer auf eine nachfolgende Hersteller Generation gelingen ?
        (Für Azubi bin ich zu alt - und handwerklich zu unbedarft) Aber vielleicht gibts ja Hoffnungsträger ?

        Gruß Heiko

        Kommentar

        • Bernhard Wienand
          Registrierter Benutzer
          • 27.02.2007
          • 998
          • Bernhard Wienand
          • Hamburg

          #5
          AW: Musterprüfung Drachen - wie geht es weiter?

          Finde, wir müssen und können den DHV hier beim Wort nehmen.

          Klaus Tänzler (noch aktiver Drachenflieger) hat sich auf der letzten Jahrestagung klar zu den Drachenfliegern und ihren Belangen bekannt, siehe


          Nun könnte man sagen, ein scheidender Geschäftsführer hat gut reden, aber es klang für mich überzeugend und auch so, als wolle er dem zukünftigen GF (als Gleitschirmflieger) dies mit auf den Weg geben. Und beim nicht vorbelasteten Robin Frieß habe ich ein sehr gutes Gefühl.

          Auch die jetzt bis 10.2021 verlängerte Beauftragung durch das BMVI verpflichtet den DHV in den § 6 bis 8, Musterprüfungen (im übernommenen Vertragstext steht noch Musterzulassungen) durch entsprechende Sachmittel und Personal zu ermöglichen. Das bedeutet für mich, eine anerkannte Musterprüfstelle zu betreiben, soweit es privatwirtschaftlich (wie bei den GS) keine gibt.

          Wenn der DHV jetzt, angesichts zuletzt defizitärer Jahresabschlüsse, und weil noch kein Prüfauftrag in Sicht ist, eine Investition in diese Prüftechnik (Messwagen) aufschiebt, so wäre das für mich noch hinnehmbar, sofern der DHV sicherstellt, dass seine Messtechnik kurzfristig einsatzbereit sein kann. Das müsste dann aber auch so vermittelt werden. Der nächste Drachen würde dann mit einem nagelneuen und frisch geeichten Messkopf vermessen werden :-).

          Oder gab es jetzt schon Fälle, wo Hersteller nach England ausweichen mussten, weil die DHV-Prüfstelle nicht betriebsbereit war?

          Ärgerlicher in der Vergangenheit war m.E., dass sich Musterprüfungen über Jahre hingezogen haben. Nicht nur ein Hersteller hat sich aufgrund des Ermessensspielraums der Prüfstelle wiederholt durch die Prüfstelle schikaniert und nach Gutsherrenart behandelt gefühlt. Hier bedarf es der Überarbeitung der Spielregeln zwischen Herstellern und Prüfstelle.

          Was die Anerkennung und Anwendung der amerikanischen (HGMA) und englischen (BHPA) Prüfstandards betrifft, so hat der DHV seine reservierte Haltung endlich aufgegeben. Diese war für mich insofern verständlich, dass man ein System, mit dem man gut gefahren ist bzw. glaubt, gut gefahren zu sein, nur aufgibt, wenn es wirklich triftige und überzeugende Gründe dafür gibt.
          Daher hat es hierzu einer längeren Überzeugungsarbeit gebraucht, siehe z.B.

          Seit 24.7.2014 (NfL) sind dank Tomas Pellicci die HGMA- und BHPA-Standards als gleichwertig in die deutsche LTF aufgenommen, und der Technik-Vorstand Dieter Münchmeyer will sich nach einem Gespräch mit Vertretern der Hersteller am Rande der DHV-Jahrestagung 2016 dafür einsetzen, dass auch nach dem deutschen Verfahren auf Nickmoment-Beiwerte (statt nur Absolutwerte wie bisher) geprüft werden kann, damit auch kleine Geräte mit einem guten Handling legal gebaut und geflogen werden können.
          Jetzt sollten die Hersteller am Ball bleiben.

          Gruß, Bernhard

          Kommentar

          Lädt...