Flächenlast und zähe Thermik

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  • Akki
    Registrierter Benutzer
    • 15.02.2011
    • 283
    • Andreas Krapf

    Flächenlast und zähe Thermik

    Wir haben hier bei uns schon ab und an über das Thema gesprochen und mich würde eure Meinung interessieren:

    Hat die Flächenlast der verschiedenen Schirmgrößen Einfluss auf das Steigen in schwacher Thermik oder gleicht das eine leicht abweichende Konstruktion beim Modell aus ?
    Damit man erkennt wovon tatsächlich gesprochen wird ein kleines Bild mit Beispielrechnung (der Einfachheit geschuldet ist die Tabelle immer mit max Beladenen Schirm nach Herstellerempfehlung) - am Schluss der Tabelle noch ein reales Beispiel mit leichten Piloten und schweren Jungs :-)

    Speed - Flug gegen Wind etc ist natürlich auch Unterschiedlich aber das Verhalten im schwachen Steigen - Hangkratzen - da würde mich eure Meinung interessieren

    lg
    Andreas
  • shoulders
    Registrierter Benutzer
    • 07.10.2008
    • 7012
    • Stefan Ungemach
    • Ingolstadt & Chiemgau

    #2
    Unter Vernachlässigung von Turbulenzen hängt der Auftrieb von Flächenlast, Anstellwinkel, Profil und Geschwindigkeit durch die Luft ab. Nichts davon steht in Zusammenhang damit, wie schnell bzw. ob überhaupt das umgebende Luftpaket aufsteigt.

    Dass wiederum die Geschwindigkeit und damit die Anströmung des Flügels mit der Flächenlast zunimmt, macht das Konstruieren spannend. Auf eine einzige Kennzahl (aus einer Exceltabelle) lässt sich diese Komplexität nicht herunterbrechen.

    Hangkratzen und Kreisen in schwacher Thermik stellen ebenfalls unterschiedliche Anforderungen an den Schirm - der soll nämlich in den am Hang erforderlichen engeren Kurven möglichst wenig Höhe verlieren (graben). Grundsätzlich bekommen das "langsamere" Profile besser hin, während schnelle, hoch gestreckte Profile selbst schräger gestellt beim Kreisen und im Vorflug mehr Auftrieb erzeugen (die Anfälligkeit für Störungen und das Verhalten dabei sind - siehe "unter Vernachlässigung von Turbulenzen" noch ein ganz anderes Thema).

    Man könnte also vermuten, dass große, niedrig klassierte Schirme dem gleichen Piloten am thermisch schwachen Hang mehr als kleine Leistungsschirme nutzen. In einem schwachen, flach zu drehenden Bart (und erst recht in einem starken) wird es umgekehrt sein.

    Kurz gesagt: über einfache Formeln ("niedrige Flächenlast gleich besseres Steigen in allen Lebenslagen") wird man sich dem Thema nur sehr oberflächlich nähern können.


    CU
    Shoulders
    Stefan Ungemach
    pfb.ungemachdata.de/

    Warnung: der Autor ist auch gewerblich in der Branche tätig. Wer seinen Beiträgen unbesehen glaubt oder ihm was abkauft, ist selber schuld. Und wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten

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    • Quothe_the_Raven
      Registrierter Benutzer
      • 03.12.2017
      • 502
      • Unterwegs

      #3
      Zitat von Akki
      Hat die Flächenlast der verschiedenen Schirmgrößen Einfluss auf das Steigen in schwacher Thermik oder gleicht das eine leicht abweichende Konstruktion beim Modell aus ?
      Kurze Antwort: Ja.

      Wenn alles anderes gleich bleibt, gleitet ein Schirm mit mehr Belastung etwas schneller jedoch mit den gleichen Gleitwinkel. Wehr schneller unterwegs ist, hat auch höheres Mindestsinken. Wenn ich einen Mindestsinken von -1,3 m/s habe und du nur -0,9 hast saufe ich bei einen 1m/s Bart ab und du kommst hoch.

      Dahinter steckt relativ einfache Mathematik und Physik.

      Kommentar

      • shoulders
        Registrierter Benutzer
        • 07.10.2008
        • 7012
        • Stefan Ungemach
        • Ingolstadt & Chiemgau

        #4
        1. es gibt kein "Mindestsinken"
        2. schneller gleiten (durch mehr Gewicht) = stärkere Anströmung am Obersegel = mehr Auftrieb (deshalb generieren moderne Schirme mehr Auftrieb, wenn man sie einfach in der Thermik laufen lässt, während man ältere früher hierfür noch angebremst hat). Bei gleichem Anstellwinkel, denn hier geht es ja um die Flächenlast - wenn wir z.B. vom Beschleuniger reden (und dabei die Polare im Hinterkopf haben), wird es noch komplizierter.
        Nur die Grenzwertbetrachtung ist trivial: weder ein Schirm ganz ohne Last, noch einer mit einer Tonne Blei daran wird noch irgendeinen Auftrieb generieren. Dazwischen gibt es aber einen Bereich, in dem sich die Effekte mehr oder weniger kompensieren und Milchmädchenrechnungen (aka "relativ einfache Mathematik" ) nicht mehr ohne Weiteres funktionieren.


        CU
        Shoulders
        Stefan Ungemach
        pfb.ungemachdata.de/

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        • Quothe_the_Raven
          Registrierter Benutzer
          • 03.12.2017
          • 502
          • Unterwegs

          #5

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          • thmu
            Registrierter Benutzer
            • 20.06.2009
            • 664
            • Thomas Müller

            #6
            Zitat von shoulders
            1. es gibt kein "Mindestsinken"
            Echt nicht? Ich hätte gedacht das sei nur ein neues Wort für "geringstes Sinken".

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            • marcel1
              Registrierter Benutzer
              • 28.08.2007
              • 3932
              • Marcel

              #7
              Aus der Praxis von einigen Jahren Flachlandfliegen kann ich dir sagen:

              1. Theoretische Betrachtungen bringen dich hier kaum weiter. Nur Erfahrung. Und der größte leistungshemmende Faktor hängt ganz unten unter dem Schirm.
              2. Tendentiell ist etwas weniger Zuladung bei sehr schwachem Steigen schon ein Vorteil. Aber es reduziert sich nicht auf die eine Variable.
              3. Die wirklich schwierigen Thermiken sind eng und schwach. Und puslierend und schlecht definiert und und. Der Schirm muß also agil genug bleiben, daß man ihn immer noch eng rumziehen kann. Nicht jeder Schirm wird träge, wenn man ihn unten im Gewicht fliegt.
              4. Wenn ein Schirm bei höherer Beladung schneller anfängt zu graben, ist das ein definitiver Nachteil. Das tun aber auch nicht unbedingt alle Schirme.
              5. Es gibt durchaus Schirme, die tendentiell etwas besser steigen in sehr schwacher Thermik. Allerdings kann man das nicht objektiv messen und es korrelliert nicht 1:1 mit der Flächenbelastung. Merkt man am ehesten, wenn man mit Leuten zusammen kurbelt, die man sehr gut kennt. Und dabei überlagert sich natürlich, wie gut man mit dem Schirm zurecht kommt.
              6. Es spielt immer auch eine Rolle, wie gut und feinfühlig ein Schirm schwache Thermik anzeigt. Und wie gut man mit dem Feedback zurecht kommt.
              7. Flachlandthermiken, Hangkratzen und Soaren an niedrigen Dünen sind nicht das Gleiche und werden nicht von den gleichen Schirmen "optimal" beherrscht.

              Du siehst, mit den Tabellenwerten kannst Du gar nix anfangen. Muß keineswegs sein, daß der Schirm mit der geringsten Flächenbelastung am besten steigt in der Flachlandthermik. Und wenn Du stattdessen an nem Hang in winddurchlagerter Thermik kratzt ist es wieder anders. Am besten konzentrierst Du Dich auf den Faktor, der am meisten ausmacht - Dich selbst!

              Selbst zwischen routinierten Piloten liegen teilweise Welten dazwischen, wie gut der eine eine bestimmte Thermik nutzen kann im Vergleich zu jemand anders. Das überrascht mich immer wieder. Und die richtig guten Piloten sind alle sehr gut darin, schwierige und schwache Thermik zu nutzen. Das macht einfach mehr aus, als Viele sich vorstellen können.
              Zuletzt geändert von marcel1; 01.09.2020, 20:51.
              Wenn es piept - eindrehen...

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              • Akki
                Registrierter Benutzer
                • 15.02.2011
                • 283
                • Andreas Krapf

                #8
                Danke für die Antworten - mir ist schon klar, dass es nicht so einfach ist :-)
                Nur um bei meinen Extrembeispiel zu bleiben - die zwei Epsilon am Schluss der Tabelle - Ich kann mir nicht vorstellen dass bei einer Flächenlastzunahme um 49% dies über die Geschwindigkeit in mehr Auftrieb umgewandelt wird - da bekommst nie mehr die gleiche Zulassung.. --> da wird auch mit Anstellwinkeln und anderen Parametern gearbeitet.
                Und aus der Praxis, wir haben genau so einen Fall und beim soaren im laminaren Aufwind im Geradeausflug sinkt der eine mit 0,1 und der andere nicht - natürlich kommt wieder Linie, sitz, Gurtzeug Flugstil und alles mögliche ins Spiel, nur das eine um 50% höhere Flächenlast egal ist kann ich mir nicht vorstellen.
                Gleicher Schirm - gleicher Hersteller nur andere Größe...

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                • Quothe_the_Raven
                  Registrierter Benutzer
                  • 03.12.2017
                  • 502
                  • Unterwegs

                  #9
                  Die Theorie ist eindeutig, aber die Praxis unterstützt auch die These dass eine geringere Belastung vorteilhaft in schwache Bedigungen ist (sofern andere Faktoren gleich bleiben).

                  In andere Zeiten gab es mal Wettbewerbe wo es darum ging, wer am längsten in der Luft bleiben konnte. Ich habe gehört dass der André Bucher mal mit einen 100m² Schirm dann im Stubai auftauchte. (Quelle: Staying alive in Paraglidng Podcast)

                  Keiner kommt auf die Idee in schwache Bedigungen sich noch Balast anzulegen, wobei in Wettbewerbe es durchaus vorkommt dass leichte Piloten Balast nehmen um größere Schirme benutzen zu können.

                  Segelflieger lassen ihren Balast am ende des Hammertages wieder los. Dadurch erkaufen sie sich den Vorteil eine etwas geringere Geschwindigkeit - auch nach unten(!)-, können schwache Thermik besser mitnehmen und die Landung ist mit weniger Flächenlast auch etwas einfacher.

                  Natürlich spielen auch andere Faktoren eine (ggbf. noch wichtigere) Rolle, aber mit der Schwerkraft und der Physik kann man nicht verhandeln!

                  Kommentar

                  • flügli93
                    Registrierter Benutzer
                    • 18.06.2020
                    • 388
                    • Tanja Woijech

                    #10
                    1. natürlich gibt es ein Geringstes Sinken - ansonsten wären die Polare eines Profils ja sinnlos. Und auf einer der beiden Achsen eines solchen Polars gibt es die Angabe die lautete: "m/s" die natürlich das Sinken in Metern pro Sekunde angibt. Je niedriger diese Zahl desto weniger Meter pro Sekunde sinkt das Fluggerät, ergo gibt diese Polare das "geringste Sinken" an.
                    2. einfache Physik: je schwerer eine Last an dieselbe Fläche gehängt wird, desto schneller muss sich diese durch die Luft bewegen um den dafür notwendigen Auftrieb zu erzeugen. Da wir keinen Motor haben (manche schon ) kann diese Mehrfahrt nur durch erhöhtes Sinken, gemessen in Meter pro Sekunde, abgegolten werden.
                    3. Ob du deshalb besser Thermik fliegen kannst, glaube ich nicht, denn dazu wurde schon gut erläutert, dass dies eher am Piloten als an der Einhängelast liegt (und noch tausend weiteren Faktoren)

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                    • Gast

                      #11
                      Das ist ein außerordentlich spannendes Thema, dem man wie schon von einigen geschrieben, nicht über Zahlen und Aerodynamik näher kommt. Ich weiss auch keine belastbare Antwort und will das Thema (wie immer) auch eher praktisch als theoretisch kommentieren und ein paar Beobachtungen beisteuern:

                      Im Weltcup wird sehr häufig (gelände- und wetterbedingt) bei ULTRAschwachen Bedingungen ein Race geflogen, bei denen Freiflieger nicht mal auspacken. Trotzdem gibt es keinerlei Konsens unter den Weltklassepiloten zu dem Thema. Aber eher wenige ändern etwas an ihrer Belastung. Auch die Ballast-Ablass-Funktion wird wenig benutzt. Weniger erfahrene Piloten machen da eher rum, aber die Topleute kaum. Es gibt Piloten, die ihre Enzos eher in der Mitte beladen (und dafür eher schnell trimmen) und andere mit neutralerem Trimm und oben beladen. Alle fliegen dann aber immer in ihrem präferierten Setting. Für Werkspiloten wie Luc, Honorin oder Torsten wäre es kein Problem, zwei Enzos zu haben. Also nen M für starke und nen L für schwache Bedingungen, wie die Kiter. Macht aber niemand.

                      Denke eine der wichtigsten Voraussetzungen für gute Piloten ist generell, möglichst wenig an Ausrüstung und Setting zu variieren. Also immer gleicher Schirm, Trimmung, GZ-Einstellung, Flächenbelastung usw. Nur dann kann man das Feedback optimal deuten, hat das gewohnte Handling und kann gerade in schwächsten Bedingungen optimal dosiert fliegen. Ob eher hohe oder mittlere Beladung ist dann nicht so wichtig. Bei an der Unterkante beladenen Schirmen dürften die Nachteile - auch und gerade in sehr schwachen Bedingungen - immer klar überwiegen, zumindest bei modernen Profilen und Konstruktionen, die alle auf hohe Flächenlast ausgelegt sind.

                      Im Endeffekt entscheidet doch oft ein einziger, flach und eng geflogener Kreis über den Baumwipfeln zwischen absaufen und hochkommen. Und der geht halt nur mit dem perfekten Handling, das man kennt und dem man vertraut. Dagegen sind minimale Unterschiede im Eigensinken irrelevant. Wenn man also die optimale Belastung für das für sich beste Handling herausgefunden hat, dann ist diese Belastung in der Realität die beste, um hochzukommen, wenn andere absaufen.
                      Zuletzt geändert von Gast; 03.09.2020, 12:26.

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                      • GTStefan
                        Registrierter Benutzer
                        • 17.08.2007
                        • 43

                        #12
                        Auch wenn mir das wohl die wenigsten glauben mögen, für die XS-Flieger ist diese Frage ganz einfach zu beantworten!
                        Die wirklich kleinen Flügel, bis 70 kg fliegen in (absolut) allen Belangen besser wenn man sie belädt. Der wird nicht nur schneller, erhöht nicht nur die Gleitzahl, es steigt tatsächlich auch besser und fliegt ruhiger. Und der Effekt wird umso größer je turbulenter die Luft. (Ich meine da explizit nicht den Wind; Kleiner Effekt bei laminarem Wind wie etwa bei Wind vom Meer, großer Effekt bei gleicher Windstärke mit Wind der über Land kommt)

                        Frag mich nicht wieso.
                        Zuletzt geändert von GTStefan; 03.09.2020, 22:43.

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                        • Gast

                          #13
                          Stefan, ich bin ja der Meinung, dass das auch bei den größeren Schirmen so ist. Aber es gibt halt auch andere Meinungen...

                          Kommentar

                          • shoulders
                            Registrierter Benutzer
                            • 07.10.2008
                            • 7012
                            • Stefan Ungemach
                            • Ingolstadt & Chiemgau

                            #14
                            Ich ebenfalls, und das habe ich auch aerodynamisch begründet. Wenn ein Modell schlüssig ist und mit der Beobachtung übereinstimmt, ist es grundsätzlich erst mal geeignet - so ähnlich hab ich das auch im (Physik-)Studium gelernt. Jedes Szenarium für einen positiven Beweis durchzurechnen ist dann gar nicht mehr erforderlich; vielmehr erfordert wissenschaftliches Denken, im nächsten Schritt eine Antithese aufzustellen und zu beweisen...


                            CU
                            Shoulders
                            Stefan Ungemach
                            pfb.ungemachdata.de/

                            Warnung: der Autor ist auch gewerblich in der Branche tätig. Wer seinen Beiträgen unbesehen glaubt oder ihm was abkauft, ist selber schuld. Und wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten

                            Kommentar

                            • GTStefan
                              Registrierter Benutzer
                              • 17.08.2007
                              • 43

                              #15
                              Hmm, interessant das du das sagst.
                              Ich vermute mal das der Effekt zumindest deutlich(!) kleiner ist bei größeren Schirmen, insbesondere niedrig klassifizierten. Zumindest gehen da die Meinungen viel stärker auseinander.
                              Bei meinem Tandem (Metis 3) ist es jedenfalls definitiv so, das er mit höherer Flächenbelastung nicht so gut steigt bei schwachen Bedingungen.

                              Ehrlich gesagt kann ich mir auch nicht vorstellen, das sich ein schwerer Pilot den Unterschied zwischen kleinen und großen Schirmgrößen auch nur annähernd vorstellen kann - sonst würde ganz sicher bei jedem Schirmtest die geflogene Schirmgröße mit angegeben werden.

                              PS: Mit Shoulders Beitrag überschnitten. Die Antithese ist mit dem Tandem ganz leicht aufzustellen!
                              Zuletzt geändert von GTStefan; 04.09.2020, 16:21.

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