Föhnig, Föhn oder doch kein Föhn? Startentscheidungs-Probleme eines Anfänger-Piloten
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Da die Anzahl meiner jährlichen DHV-XC Punkte unterhalb der Kompetenz und Seriösitätsgrenze dieses Fachforums liegen sind meine Kommentare mit Vorsicht zu geniessen!
BGD Cure 2 / Gin Genie Lite 2 / Air3 7.3+ und Bräuninger SensBox(Backup) -
Gibt es andere Strategien, die sich bewährt haben wie man trotz der Entscheidung, zuhause zu bleiben, seinen Erfahrungsschatz erweitern kann?
Für den weniger erfahrenen Piloten ergibt sich das extra Problem, daß bei sehr sportlichen Bedingungen keine Reserven mehr da sind, man aber auch keine Erfahrung sammelt, wenn man nur zu Hause bleibt.
Was teilweise hilft ist, Schirm zu hause lassen und trotzdem mal schauen gehen und ggf. mit 2-3 mutigen Fliegern nach dem Flug sprechen (und dabei beachten, mit wem man spricht - es gibt extrem gute Leute und manchmal auch ziemliche Draufgänger). Man muß letzendlich auch wissen bzw. lernen, wie unfliegbar bzw. grenzwertig fliegbar so aussieht, nur nicht unbedingt aus eigener leidvoller Erfahrung. Später kann man sich etwas rantasten (Schirm mitnehmen, aber nur auspacken, wenn man sich sicher ist), idealerweise aber nur in Fluggbieten die man sehr gut kennt bzw. wo man guten Kontakt zu Leuten hat, die da schon lange fliegen. Föhn ist immer auch sehr lokal ausgeprägt und langjährige Erfahrung durch nix zu ersetzen.
Du hast zum gestrigen Tag richtig erkannt, daß der vermutlich fliegbar, aber zunehmend anspruchsvoll werden würde in der Gegend, die du angeschaut hast. Ich denke das war so weit richtig eingeschätzt.Wenn es piept - eindrehen...Kommentar
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Das Wichtigste dürfte zu diesem Thema bereits gesagt sein. Letztlich geht es um Lernen, Erfahrung (resp. -fliegung) und die individuelle Bereitschaft, Risiken anzunehmen (& die Konsequenzen zu tragen!).
Ich denke, dass die nachfolgende Grafik zur Verdeutlichung hilft:
fly-swissalps.chKommentar
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Eines noch: Ob man nun eigene Erfahrungen einsortiert, andere Piloten beobachtet oder mit ihnen spricht, oder gar nur wie Stephan Knips aus der Ferne über Motivation, Erlebnisqualität ("sich quälen") und Erfolg des Piloten eines fix aus dem OLC herbeigeklickten Flugs herumspekuliert - all diese Ansätze bergen das hohe Risiko, dem sogenannten Outcome Bias aufzusitzen. Dieser Denkfehler, der zu den häufigsten zählt und bei uns gewissermaßen fest verdrahtet ist, besteht darin, eine Entscheidung anhand des bereits bekannten Ergebnisses zu beurteilen. Anders ausgedrückt: "Wenn's (doch schon so oft) gut gegangen ist, muss die Entscheidung richtig gewesen sein".
Das ist aber grundverkehrt. Auch wenn irgendwer mit seiner Entscheidung Erfolg, Spaß oder auch bloß kein Unglück erlebt hat, kann besagte Entscheidung trotzdem noch haarsträubend blöde gewesen sein! Das gilt auch bei gehäuftem Auftreten dieser Beobachtung: Einer kann sein Leben lang den Sicherheitsgurt weglassen und damit unverletzt durchkommen - wenn das aber alle machen, wird die Verletzungshäufigkeit statistisch stark ansteigen. Das Weglassen des Sicherheitsgurts bleibt also unklug, und den Glückpilz als Handlungsvorlage zu verstehen ist schon wirklich aktive Dummheit. Diese wird dazu durch einen weiteren Denkfehler gefördert, der in der Annahme besteht, allgemeine Regeln würden auf einen selber nicht zutreffen, weil man ja ein der Masse überlegenes Individuum sei (Overconfidence Bias).
Es lohnt sich absolut, sich mit diesen und anderen klassischen Denkfehlern auseinanderzusetzen. Diese sind ja nichts Ehrenrühriges, sondern einfach Folgen unserer neuropsychologischen Grundaufstellung - wir sind halt so. Zum Glück sind diese Phänomene gut erforscht - man braucht sich also nicht mit einer beleidigten oder rechtfertigenden Cancel-Debatte aufhalten - und es ist, ähnlich wie beim Mentalen Training (zu dem es hier Schnittmengen gibt) äußerst zielführend, sie bei der Entscheidungsfindung stets zu berücksichtigen. Wenn ich mir beispielsweise immer wieder bewusst mache, welche Belohnungsreize ein Schnäppchenkauf auslöst, bin ich ja auch gleich weniger anfällig für Lockvogelangebote als wenn ich mir einrede, dank meines starken Charakters eh über sowas zu stehen, diesbezüglich schon alles zu wissen und mich deshalb gedanklich nicht damit auseinander setzen zu müssen.
Stefan Ungemach
pfb.ungemachdata.de/
Warnung: der Autor ist auch gewerblich in der Branche tätig. Wer seinen Beiträgen unbesehen glaubt oder ihm was abkauft, ist selber schuld. Und wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behaltenKommentar
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Zuletzt geändert von Im Lee is schee!; 19.06.2024, 12:00.Da die Anzahl meiner jährlichen DHV-XC Punkte unterhalb der Kompetenz und Seriösitätsgrenze dieses Fachforums liegen sind meine Kommentare mit Vorsicht zu geniessen!
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Eines noch: Ob man nun eigene Erfahrungen einsortiert, andere Piloten beobachtet oder mit ihnen spricht, oder gar nur wie Stephan Knips aus der Ferne über Motivation, Erlebnisqualität ("sich quälen") und Erfolg des Piloten eines fix aus dem OLC herbeigeklickten Flugs herumspekuliert - all diese Ansätze bergen das hohe Risiko, dem sogenannten Outcome Bias aufzusitzen. [...]
Auf das Fliegen übertragen ist das aber fast noch katastrophaler, weil es deutlich weniger Möglichkeiten gibt "umzudrehen", sollte ich mich mal zum Start entschieden haben. Den Flug muss ich dann durchziehen, was mir im Zweifelsfall eine sehr negative Erfahrung einbringt. Umgekehrt: wenn es gut geht, kann ich daraus nicht unbedingt lernen.
Aus all euren Beiträgen kann ich zumindest für mich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
- es ist wichtig sich mit vielen Piloten über die Bedingungen und das Erlebte auszutauschen
- es ist ebenfalls wichtig, sich sehr defensiv den eigenen persönlichen Wohlfühl- und Könnens-Grenzen zu nähern. Super Grafik von whitealps !
- Die defensive Entscheidung, nicht fliegen zu gehen am konkreten Beispiel war zumindest nicht übertrieben vorsichtig und so auch nachvollziehbar
- In zweifelhaften Situationen lieber nicht fliegen und sich nach oben wünschen als umgekehrT
Vielleicht wäre ein innovatives Feature in Plattformen wie Burnair, dass man durchgeführte Flüge nach der Landung anhand halbwegs objektivierbarer Kriterien bewerten könnte (Stärke der Böen, Turbulenzen bei Start und Landeanflug, etc.). Evtl. könnte auch das helfen, den am Boden gebliebenen Piloten ein Feedback zur Entscheidung zu geben. Natürlich bleibt auch das ein Stück weit subjektiv - dennoch könnte das helfen. Vielleicht schlag ich das mal vor
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Auch wenn irgendwer mit seiner Entscheidung Erfolg, Spaß oder auch bloß kein Unglück erlebt hat, kann besagte Entscheidung trotzdem noch haarsträubend blöde gewesen sein!
Ein zusätzliches Problem ist, daß die Bandbreite bei den Piloten gewaltig ist. Ein Chriegel hat Erfolg damit, bei Föhn in die Dolomiten zu brettern und die X-Alps so zu gewinnen. Einen anderen Piloten kannste vom Geröll abkratzen nach der Aktion. Ich hab PWC Piloten bei 30 km/h Wind im Lee fliegen gesehen (und drauf angesprochen: war ok), während alle Freiflieger sich das verkniffen haben. u.s.w.
Darum
Vielleicht wäre ein innovatives Feature in Plattformen wie Burnair, dass man durchgeführte Flüge nach der Landung anhand halbwegs objektivierbarer Kriterien bewerten könnte (Stärke der Böen, Turbulenzen bei Start und Landeanflug, etc.).
Man kommt nicht umhin, sich verschiedene Wetterlagen selber anzuschauen und mit Leuten persönlich zu sprechen, um die Situation auch richtig einordnen zu können. Und manchmal muß man auch mal was selber ausprobieren. Lieber von unten an die Grenzen rantatsten, ja. Aber immer Meilen weg davon bleiben = nix mehr lernen. Es ist eine persönliche Risikobalance.Wenn es piept - eindrehen...Kommentar
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Genau das ist ja der Denkfehler des Outcome Bias. Man kann und soll weder seine, noch irgendwelche Entscheidungen an ihren Resultaten messen. Für die Qualität einer Entscheidung sind alleine die in Betracht gezogenen Faktoren sowie deren Gewichtung entscheidend, nicht das Ergebnis. Das fühlt sich zwar irgendwie falsch an, aber das ist ja die Natur klassischer Denkfehler.Stefan Ungemach
pfb.ungemachdata.de/
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👍
Aus (vermeintlichen) Erfolgen lernt man wenig, eher das Falsche. In der Tat bringen uns nur Misserfolge wirklich weiter. Die Kunst besteht darin, diese im Laufe des (Flieger)Lebens nicht fatal werden zu lassen.
Das bezieht natürlich nur auf das "Tun", die theoretisch wissenschaftliche Analyse ist bei der Erfahrungsvermehrung ein völlig anderer Aspekt und hier meistens weniger gelitten.Kommentar
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Ich halte es eher damit:
«Erfahrung ist die Summe der reflektierten Ereignisse. Diese müssen weder negativ noch meine eigenen sein.»
Muss wohl ein ahnungsloses Weichei gesagt haben, nicht wahr!
Zuletzt geändert von BIKEandFLY; 21.06.2024, 10:59.Jedes Wesen kann nur in seiner Eigenheit gut sein.
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Wenn‘s piepst, Psychiater aufsuchen...Kommentar
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Genau darauf habe ich mich bezogen!
Eindimensionale Interpretation hier wie da.Zuletzt geändert von BIKEandFLY; 19.06.2024, 19:11.Jedes Wesen kann nur in seiner Eigenheit gut sein.
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Wenn‘s piepst, Psychiater aufsuchen...Kommentar
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So pauschal kann man das nicht abtun. In der Sporttheorie halten sich die Meinungen, ob nun Erfolg oder Misserfolg mehr Lernfortschritt bringen, die Waage. Es gibt zwar neurophysiologische Erkenntnisse, die einen Vorteil von Erfolgen sehen, aber da geht es mehr um theoretisches Lernen. Beim Fliegen scheint es aber tatsächlich mehr (kleine) Misserfolge zu geben - zum Beispiel jedes Verlieren einer Blubberhermik -, bei denen man sehr schnell den eigenen Fehler erkennen und gleich einen neuen Versuch machen kann. Man könnte von einer OODA-Loop mit vielen kleinen Iterationen nach unten und gelegentlich einer langen nach oben sprechen.
Hinzu kommt der heilsame Effekt eines echten Fehlers. Ich weiß heute noch, wie ich das erste Mal auf Strecke in ein wirklich brutales Lee geflogen bin und das nur noch irgendwie überstehen wollte.Das ist jetzt etwa 15 Jahre her, aber der Lerneffekt sitzt bis heute und ich kann gar nicht auf eine Leeseite fliegen, ohne ganz genau darüber nachzudenken. Die ersten Erfolgserlebnisse beim Kurbeln oder Queren sind hingegen längst vergessen.
In dem Zusammenhang lohnt auch der Blick auf die Vorträge von Prof. Kruse zur Intuition (gibt's auf Youtube). Der legt nämlich schlüssig dar, dass sich Intuition nur unter erheblichem Stress herausbildet - und den hat man in der Regel nicht, wenn's gerade gut läuft...Zuletzt geändert von shoulders; 19.06.2024, 19:11.Stefan Ungemach
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Warnung: der Autor ist auch gewerblich in der Branche tätig. Wer seinen Beiträgen unbesehen glaubt oder ihm was abkauft, ist selber schuld. Und wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behaltenKommentar
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